schreibstube

Das Poly-Blog von Helly & Jay

[Dienstag, 19. Februar 2008]

Monogam lebenden Menschen zu erklären, wie und warum polyamor lebende Menschen treu sind, und daß Polys sich subjektiv sogar oft als treuer einschätzen würden als Monos, gehört zu den anstrengendsten Diskussionen überhaupt. Mit dem oft blinden Fleck für die schiere Existenz der Möglichkeit des Entkoppelns sexueller Internierung von Liebe und Partnerschaft ergibt das Argument für Monos nicht einen Hauch von Sinn.

Scheinbar binäre Zustände wie poly vs. treu sind fast nie natürlich, sondern kulturell geformt aber — eines meiner  Lieblingsthemen — so transparent, daß ihr kulturelles Bedingtsein unsichtbar bleibt. In dieser Hinsicht augenöffnend war für mich vor vielen Jahren die Lektüre von Ruth Benedicts  The Chrysanthemum and the Sword, das schon allein als Exemplum für das völlige Unverständnis, das Verhaltensweisen auf der Basis kolossal anders distribuierter kultureller „Binärzustände“ hervorrufen können, absolut lesenswert ist. Was wir als Polys oft unterschätzen, fürchte ich, ist die schiere Fülle vollständig transparenter Parameter, die in westlichen Kulturen mit Monogamie-Idealen gekoppelt sind — und die daraus erwachsende, zuweilen schockierende Irrationalität, wenn tief verwurzelte und mit anderen Parametern stark vernetzte Vorstellungen sich nicht einmal mit der eigenen Verhaltenswirklichkeit in Einklang bringen lassen.