schreibstube

Das Poly-Blog von Helly & Jay

[Sonntag, 6. April 2008]

Im RSS-Teaser zu  Jordan Green merkte ich die überwältigend zentrale Rolle der Exkulpation im christlichen Kontext an. Das ist: Das Schieben von Schuld auf jemand anderen & das Versprechen von Vergebung. Diese Aspekte haben in unserer Kultur — ich kann das nicht nett formulieren — ganze ethische Bereiche als Geisel genommen, mit fatalen Auswirkungen auf die Sozialstruktur und nicht zuletzt unser Beziehungsleben.

Dank Paulus & Co., die die  Jom Kippur-Tradition des Sündenbocks mit der  Pharmakòs-Tradition des Menschenopfers zum Erlösungsprinzip aufpumpten, wird das Prinzip Entschuldigen, wie das Wort andeutet, mit zwei ineinandergreifenden Handlungen identifiziert: das Schieben der Schuld auf andere & anderes und die Bitte um Verzeihung & Vergebung. Abrundend gesellt sich das Beichtprinzip hinzu: Verfehlungen zu „beichten“, die (a) den Partner verletzen oder zusätzlich verletzen, um (b) „ins Reine zu kommen“, sprich, das Gewissen zu erleichtern. Ein Verhalten, daß in anderen Kulturen Sprachlosigkeit auslöst.

Schuld einzugestehen und die Konsequenzen zu ziehen, öffentlich oder im Stillen, ist etwas völlig anderes. Und eins ist im Warenkorb der christlichen Praxis im Umfeld von (Ur-)Sünde, Beichte und Vergebung ebenso notorisch unterentwickelt wie in unserem Beziehungsleben: Verantwortung, die resistent ist gegen Sündenbock, Opferlamm, Exkulpation.