schreibstube

Das Poly-Blog von Helly & Jay

[Donnerstag, 10. April 2008]

Im  vorgestern vorgestellten Artikel  Pairs With Spares von Monica Hesse war eine Sache, die ich erst zweimal lesen mußte, bevor ich sie nicht ganz verstand. Zunächst beurteilt sie den Ansatz der „Aufteilung“ von Liebe auf verschiedene Personen positiv, da es durch die in unserer Welt zunehmende Erwartung der „Selbstaktualisierung“ zunehmend unwahrscheinlicher wird, auf jemanden zu treffen, der sich auf exakt der gleichen „Entdeckungsreise“ befindet. Dies, fährt sie fort, illustriere aber ein „Paradoxon“ im polyamoren Entwurf: Daß der Glaube an die „endlose Kapazität“ der Menschen zu lieben und zu teilen in der zynischen Einstellung wurzele, daß die meisten eben keine unendliche Kapazität haben, nur einem einzigen Menschen treu zu sein.

Zunächst einmal sehe ich hier weder den (formal-)logischen Widerspruch eines Paradoxons aus Physik & Mathematik oder Sprache & Rhetorik, noch ein Paradoxon von der Art, wie es in der Psychologie verwendet wird. Und selbst bei sehr „losem“ Gebrauch des Wortes ergibt es nicht viel Sinn: Eine unendliche Kapazität zu teilen verhält sich zur begrenzten Kapazität, nur einem Menschen treu zu sein, keineswegs inkongruent. Und hätte Hesse realistisch statt zynisch eingesetzt, hätte sie zwar kein Paradoxon, aber zumindest einen validen Widerspruch zur Diskussion gestellt: Die vielleicht optimistisch-unrealistische Sicht in Bezug auf die eine gegenüber der pessimistisch-realistischen Sicht in Bezug auf die andere Kapazität.