schreibstube

Das Poly-Blog von Helly & Jay

[Montag, 29. Oktober 2007]

Anläßlich der Zahlen des U.S. Census Bureau, daß Haushalte mit verheirateten Paaren in Amerika zur Minderheit geworden sind, rollt Stephanie Coontz in ihrem Artikel  “Too close for comfort” ein Stück historischer Beziehungsgeschichte auf: wie das Setzen auf den Ehepartner als „einzige erfüllende emotionale Bindung“ ein neuzeitliches Phänomen aus den 1950ern sei, und wie das Sozialleben vieler dadurch ärmer wurde. Besonders interessant ist ihre Sicht des Viktorianischen Zeitalters als einer Zeit leidenschaftlicher emotionaler und physischer Beziehungen zwischen Freunden oder Freundinnen oder Geschwistern — und daß dies möglich war gerade wegen der Viktorianischen Weigerung “to acknowledge sexual desires among respectable men and women”.

Amerikaner haben, so Coontz, zunehmend soziale Bindungen und soziales Vertrauen eingebüßt und sich dafür zunehmend abhängig gemacht von der romantischen Partnerbindung als einziger Instanz für Intimität und „tiefe Kommunikation“. Dies mache Menschen anfälliger für Isolation, weil Beziehungen scheitern, und Beziehungen anfälliger fürs Scheitern, weil die Erwartungen zu hoch sind.

Zwar schwebt es Coontz als mögliche Lösung wohl nicht vor: Aber Polyamorie scheint ideal geeignet, tiefe emotionale Bindungen zu mehren, ohne romantische Erwartungen mindern zu müssen!